Es gibt viele besondere Menschen in Bad Pyrmont und Lügde. Echte Persönlichkeiten, die sich hier nach und nach auf Emmerzone vorstellen: Heute: Lobna Shamnout.
Hallo Zusammen,
einige von euch kennen mich aus der DANA Residenz in Pyrmont, andere kennen mich vom Westfälischen Hof, wo ich ab und zu als Servicekraft unterwegs bin. Wieder andere kenne ich aus den Schulen der Kinder und einige kennen mich von meinen Ständen auf den Lügder Weihnachtsmärkten auf denen ich palästinensische (Fairtrade) Waren verkaufe.
Warum gerade palästinensische Waren? Weil ich palästinensische Wurzeln habe meine Vater ist Palästinenser, meine Mutter Deutsche).
Mit dem Verkauf der unterschiedlichen Waren (Holzarbeiten, Datteln, Gewürze, Keramik- und Glasarbeiten) unterstütze ich die Wirtschaft in Palästina. Die Waren kommen alle aus der Westbank und aus Gaza. Die meisten Holzarbeiten kommen aus Bethlehem, Glas und Keramik aus Hebron, die Gewürze aus Jenin und die Datteln aus Jericho. Alles kommt aus unterschiedlichen Institutionen, z. B. Frauen- und Bauerkooperativen, Behindertenwerkstätten oder Traditionsbetrieben, die seit Generationen in den Händen der gleichen Familie sind. Auf meiner Reise habe ich die Werkstätten und Kooperativen besucht und besichtig, und kann dadurch auch viel zu den einzelnen Waren erzählen.
Meine Stände nutze ich auch gern für viele angeregte Gespräche. Viele Menschen kennen die Region ausschließlich als Krisen- und Kriegsgebiet und es macht mir viel Spaß sowohl kulturell als auch politisch ein bisschen aufzuklären. Es ist mir ein Bedürfnis die doch sehr einseitige Berichterstattung etwas aufzulockern und sozusagen die zweite Seite der Medaille zu zeigen.
Durch einen längeren Aufenthalt in Palästina, wo ich kreuz und quer durch die Westbank und auch Israel gereist bin, habe ich viele Eindrücke sammeln können. Nicht nur, wie und wo etwas hergestellt wird, sondern auch das alltägliche Leben dort. Die Unterschiede zwischen dem Westjordanland und Israel.
Ganz persönliche, sehr bedrückende Erfahrungen im umstrittenen Hebron, die faszinierende und bunte Altstadt von Jerusalem, Radfahren in Jericho, in der tiefsten Stadt der Welt. Wir waren surfen in Tel Aviv und wenige Kilometer weiter in Jaffa haben wir das Elternhaus meiner Großmutter in der wunderschönen Altstadt besichtigt. Die Altstadt von Bethlehem ist nochmal eine Nummer für sich, so viele Winkel und Ecken, überall kann man etwas besichtigen und landet immer irgendwie an der Geburtskirche – dem Ort an dem Jesus Christus geboren wurde. Im Maghrour Tal kann man an schönen Tagen bis nach Jerusalem gucken. Und wandern gehen. Man schlendert über die Basare der verschiedenen Städte. Und das Essen! Streetfood in der Westbank und Jerusalem ist so unendlich lecker. Im biblischen Zoo von Jerusalem haben wir einen ganzen Tag verbracht. Der Felsendom strahlt eine mystische Schönheit aus und es ist sehr bewegend dort hineinzugehen. Ebenso in die Grabeskirche, mit dem riesigen Mosaik und den vielen Gruppierungen des Christentums. Ich könnte ewig so weiter schreiben.
Trotz allem Schönen wird man ständig an die politische Situation erinnert. Angefangen bei der bis zu 9 Meter hohen Trennungsmauer in Bethlehem, über die Checkpoints nach Jerusalem und innerhalb Jerusalems. Hebron ist eine emotionale Herausforderung, schriftlich gar nicht so einfach niederzuschreiben. Apropos schriftlich, wer Interesse an der ganzen Reise hat kann sich meine Reiseblog auf Facebook anschauen oder mich gern ansprechen, wann immer man mich sieht. Der Konflikt ist eh nicht „einfach so“ erklärt, das würde hier jetzt den Rahmen sprengen. Natürlich ist es immer irgendwie aktuell, vor allem wenn es alle paar Jahre Unruhen im Gazastreifen gibt. Andererseits ist es auch nichts Aktuelles, sondern etwas Bestehendes, der Konflikt besteht ja nicht nur zu „Kriegszeiten“ sondern darüber hinaus. Allerdings wird dann kurz wieder drüber gesprochen. Betonung auf kurz. Es erfordert Zeit und Ausdauer, bei diesem Thema in die Tiefe zu gehen. Das haben nicht viele, was auch total okay ist, dafür kann man ja dann mit mir sprechen.
In den letzten Jahren habe ich immer wieder Reisevorträge gehalten und konnte damit zeigen wie schön und auch friedlich das Land ist. Leider hat sich bisher noch kein Vortrag in Lügde ergeben, das wird sich aber bald ändern, denn für den Herbst 2022 ist etwas in Kooperation mit der Kolpingsfamilie Lügde und dem Tante Emmer Bildungszentrum geplant.
Seit 12 Jahren lebe ich zum zweiten Mal in Lügde und fühle mich hier rundum wohl. Das erste Mal war noch als Teenie Anfang der Neunziger mit meinen Eltern. Das zweite Mal bin ich mit meiner kleinen Familie aus Jobgründen aus Hannover zurück nach Lügde gezogen – ja, wir haben es andersrum gemacht.
Ich mag unsere historische Altstadt sehr. Mit den niedlichen Fachwerkhäusern, ab dem Frühjahr liebevoll und bunt bepflanzt, gibt es bei einem Spaziergang immer etwas zu Entdecken. Natürlich sind auch wir oft im Emmerauenpark unterwegs. Ein Snack oder ein Getränk am Ankerplatz gehört fast immer dazu.
In Lügde bekommt man alles! Nützliches und Gewünschtes und sollte doch mal etwas fehlen, schwingt man sich auf das Rad und fährt durch die Emmerwiesen nach Pyrmont rüber. Lügde hat den Charme eines Dorfes und ist doch eine Stadt und das macht das Leben hier so angenehm. Man kennt sich und trifft bei Spaziergängen oder Einkäufen fast immer jemanden zu quatschen. Besondern schön finde ich unsere Traditionen, wer war noch nie auf dem Osterräderlauf oder dem Schützenfest und unser kleines Heimatmuseum ist immer einen Besuch wert. Die Lügder Umgebung mit den verschiedenen Wanderpfaden oder der Meinte ist ebenfalls etwas Besonderes.
Wie lange wir noch bleiben? Ein Weilchen noch, denn hier ist es schön. Und wo der Weg dann hingeht? Lassen wir uns überraschen!
Viele Grüße
Lobna
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